Eoin Colfer: WARP – Der Klunkerfischer


Chevie Savano ist ins 21. Jahrhundert zurückgekehrt. Aber durch ihre Reise in die Vergangenheit hat sich der Zeitenlauf verändert. Die halbe Welt befindet sich nun im Krieg und Chevie soll zur Soldatin ausgebildet werden. Doch glücklicherweise gibt es auch in dieser Gegenwart eine WARP-Kapsel, mit der sie ins 19. Jahrhundert zurückkehren kann, um den Zeitstrahl wieder geradezubiegen. Im Jahr 1899 hat sich Riley unterdessen mit dem ehemaligen Gangsterboss und Klunkerfischer Otto Malarkey verbündet. Denn es gibt einen neuen Gegner: FBI-Agent Colonel Box, der sich seit dreißig Jahren in den Katakomben von London versteckt, plant einen Aufstand, der den Lauf der Geschichte verändern wird.

Jugendbuch

Loewe (2015)

Originaltitel: W.A.R.P. The Hangman's Revolution

ISBN 978-3-7855-7948-0

EUR 16,95




Leseprobe

Es ist eine allgemein anerkannte Regel, dass man dort, wo man Wasser trinkt, kein Wasser lassen sollte, da beide Wässer sich vermischen und man dann möglicherweise bereits verarbeitetes Wasser trinken könnte, was der Gesundheit nicht zuträglich ist.

Fragt nur mal die Zehntausende von Londonern, die an der Cholera gestorben sind.

Bis Ende der 1860er-Jahre wurde das Londoner Abwasser direkt in die Themse geleitet, welche die Stadt wiederum mit trübem Trinkwasser versorgte – eine Tatsache, die im Lauf der Zeit mehr Todesopfer forderte als Krieg oder Feuersbrünste. Doch es gab noch Schlimmeres als den Tod, wovon der folgende Reim zu erzählen weiß:

 

Als ich heut ging durch Londons Straßen,

Da fassten sich die Leut an ihre Nasen

Ach, gäb’s doch nur ’nen Zaubertrank,

Der mich bewahrt vorm Großen Gestank.

 

Der Große Gestank – so nannte die ganze Welt den üblen Dunst, der von den Londoner Sickergruben aufstieg und wie eine Wolke über der ganzen Stadt hing.

Irgendwann hatte Königin Vic endgültig die Nase voll und befahl ihren Ingenieuren – möglicherweise mit etwas anderer Wortwahl –, sich die verdammten Stinkröhren vorzuknöpfen. Daraufhin wurden dreihundert Millionen Ziegelsteine gebacken und knapp einhundertdreißig Kilometer Tunnel gebaut, damit der Große Gestank nicht in die Themse floss.

„Das neue Abwassersystem war gut für die Bevölkerung im Allgemeinen, Böckchen“, sagte Otto Malarkey zu Riley. „Aber es war gar nicht gut für uns Klunkerfischer.“

Riley war beeindruckt von seinem Herrscher. „Sie waren mal ’n Klunkerfischer, König Otto?“

„Oh ja, mein Junge. Die Zeiten waren hart für die Familie Malarkey. Deshalb haben meine beiden Brüder und ich uns zusammengetan und sind in die Unterwelt abgetaucht. Früher konnte man vom Ufer der Themse einfach in die Tunnel reinspazieren, aber die neuen Kanäle brachten neue Sicherheitsmaßnahmen mit sich, und die Tunneleingänge wurden vergittert. Wer da drin war und kein Schlupfloch in der Nähe hatte, wenn die Röhren geflutet wurden, endete wie ein Fastnachtskrapfen in diesem Gitter.“

Die beiden umrundeten Regent’s Park, auf dem Weg zu einem ganz bestimmten Kanaldeckel, durch den sie nach Malarkeys Überzeugung zum Schlupfloch des Colonels gelangen konnten.

„Die größten Schätze stecken in der tiefsten Scheiße“, zitierte Malarkey das Motto der Klunkerfischer. „Die Leute werfen die merkwürdigsten Sachen weg oder verlieren sie. Alles landet im Dreck und wartet nur darauf, dass einer es findet und sauber macht. Meine Brüder und ich hatten ein gut gehendes kleines Geschäft, hatten uns ein Netzwerk im Zentrum von London aufgebaut, wo es die dickste Beute gibt. Einmal hab ich sogar einen silbernen Kronleuchter gefunden, und ich hab mich seitdem oft gefragt, wie der wohl durchs Klo gepasst hat. Wer weiß, vielleicht war es ja eine Mordwaffe.“

Riley zwang sich, Malarkeys Geplauder zuzuhören, um sich von der Sorge um Chevie abzulenken. Seine Freundin war in der Hand von diesem Colonel Box, der sich in den gruseligen Katakomben unterhalb von Camden versteckt hielt wie ein unterirdischer Professor Moriarty. Figary hatte ihnen von Farleys Ansprache bei den Rammböcken erzählt, deshalb wusste er, wie wenig Zeit ihnen blieb. Wenn sie Box aufhalten und Chevie retten wollten, dann mussten sie es heute tun. Wenn sie denn überhaupt noch …

Nein! Daran will ich nicht mal denken.

Es war ein unglaublich glücklicher Zufall, dass Otto früher als Klunkerfischer – oder Kanalelster, wie sie auch genannt wurden – in den Abwasserkanälen von Camden gearbeitet hatte. Er wusste, dass gerade dieser Teil des Röhrensystems ständig übergelaufen und die Suppe dann in die Katakomben der Eisenbahn geschwappt war, bis ein amerikanischer Colonel den ganzen unterirdischen Bau gekauft und ihn mit einer Mauer gesichert hatte, der ihn gegen die Überschwemmungen und regelmäßig durchgeführten Flutungen schützte.

Und wenn es jemandem gelingt, diese Mauer genau zu der Zeit einzureißen, wenn wieder eine Flutung ansteht, hatte Malarkey Riley und Figary erklärt, dann stecken Colonel Box und seine braven Soldaten buchstäblich bis zum Hals in der Sch…

Es war ein ziemlich wackeliger Plan mit lauter undichten Stellen, aber er bot zumindest die winzige Chance, dass sie in dem Chaos, das dann entstehen würde, Chevie retten konnten, und das genügte Riley, um mit ganzem Herzen dabei zu sein.

[...]

Als sie den Kanaldeckel gefunden hatten, hielten sie sich unauffällig in der Nähe auf, bis die Luft rein war – wenn auch nur im übertragenen Sinne. Dann holte Malarkey eine seltsame Stange aus seinem Beutel, die für Riley aussah wie ein Tierklaue aus Metall.

„Im Old Bailey hat der Richter mal behauptet, mein Bruder wär weich in der Birne“, sagte Malarkey und schob die Zinken der Stange in die exakt passenden Löcher des Kanaldeckels. „Und trotzdem hat er aus ein paar Schrottteilen diesen äußerst praktischen Heber gebastelt. Gibt nichts Besseres zum Scheibenstemmen.“

Malarkey stützte sich mit seinem ganzen Gewicht auf den Griff, und der Deckel klappte auf wie eine Muschel.

„Dann mal runter mit dir, Junge.“

Riley hatte schon viele Prüfungen erduldet und viele Widrigkeiten überlebt, doch bei der Vorstellung, in diese unterirdische Finsternis hinabzusteigen, sich diesen feuchten, stinkenden Klauen auszuliefern, die nach ihm griffen, packte ihn lähmende Angst.

„Ich? Ich soll zuerst da rein?“

„Junge, denk doch mal nach!“, ächzte Malarkey. „Der Deckel bleibt nicht von allein offen.“

Ich sollte verduften. Was hab ich mit Königen und Königreichen zu schaffen?, dachte Riley und schämte sich sofort für seinen egoistischen Überlebensinstinkt. Chevie braucht mich. Wenn ich nicht da runterklettere, ist der ganze Plan zum Scheitern verurteilt.

Er nahm allen Mut zusammen, schwang die Beine in das Loch und suchte mit den Füßen nach einem Halt, bis er eine Art glitschige Leiter ertastete.

„Heilige Makrele, jetzt mach schon!“, keuchte Malarkey. „Beweg dich endlich!Dunkelheit ist doch nichts, wovor man sich fürchten muss.“

Das stimmte nun ganz und gar nicht, so viel wusste Riley. In einem der vielen Schatten wartete Albert Garrick auf ihn, und eines Tages würde Riley versehentlich in den falschen treten. Es war nur eine Frage der Zeit.

Aber nicht heute. Bitte nicht heute!

Und so kletterte er hinunter, vorsichtig, Stufe um Stufe, die Finger um das feuchte, schmierige Metall geschlungen. Seine Tritte hallten in der Finsternis, und seine Schultern streiften an den Seitenwänden entlang.

Verdammt, ist das eng hier!

Wieder stieg die Angst in ihm hoch, aber er schluckte sie hinunter und sagte sich:

Du bist der Große Savano. Die Dunkelheit ist die Verbündete eines Zauberers.

Dieser Gedanke half ihm, und wenig später landete sein Fuß mit einem schmatzenden Geräusch auf dem Boden der Röhre.

Denk nicht über dieses Geräusch nach, ermahnte er sich, oder über den widerlichen Gestank. Denk einfach nur daran, dass Chevie dich braucht und dass du mutig sein musst.

Außerdem war es im Grunde ungerecht, sich über den Gestank zu ärgern. Schließlich war er freiwillig in einen Abwasserkanal geklettert, und da gehörte der Gestank schließlich hin. Wenn hier einer fehl am Platz war, dann war er es.

Er spürte, wie sich der Raum um ihn herum weitete, und er hörte das Gurgeln, das sich wie ein unsichtbares Band in die Finsternis erstreckte.

Ich atme noch, dachte er. Obwohl es mir lieber wäre, wenn ich das nicht tun müsste.

Malarkey machte ein großes Trara, als er Riley folgte. Er knurrte und fluchte, die Leiter sei ein nutzloses Eisengerippe, auf das nur Kinder und Zwerge passten. Riley konnte seine Körperwärme spüren, die in den Raum ausstrahlte, und trat gerade noch rechtzeitig zur Seite, als König Otto mit einem Satz neben ihm landete.

„Das hab ich kein bisschen vermisst“, sagte Otto, während er in seinem Beutel nach der Laterne und den Streichhölzern kramte. „Hier unten ist man kein Mensch mehr. Oder vielleicht ist man nur noch das. In diesem Loch ist kein Platz für Allüren und großspurige Reden.“

Er zündete die Lampe an, die einen trüben Lichtkegel in die noch trübere Umgebung warf. Dunkle, pelzige Wesen, die Riley deutlich größer zu sein schienen als Ratten, flohen quiekend in die Finsternis.

„Was war das, König Otto?“, fragte Riley. „Was quiekt da so?“

Otto lachte. „Das sind ganz normale Ratten, aber du hast das, was wir Tunnelblick nennen. Alles Unappetitliche wirkt viel größer, als es in Wirklichkeit ist.“ Er spähte mit zusammengekniffenen Augen in die feuchte, tropfende Dunkelheit. „Bis auf den Kerl da. Der ist wirklich ein Riese.“

Riley folgte seinem Blick. Mitten in der Abwasserrinne saß der Rattenkönig auf den Hinterbeinen, und seine Zähne leuchteten wie Kerzenflammen.

Der geht schon weg, dachte Riley. Der wird doch nicht da hocken bleiben.

Doch der Rattenkönig rührte sich nicht vom Fleck. Nur seine Schnurrhaare zuckten im Lampenschein.

„Der hält Wache“, flüsterte Otto. „Und er warnt uns.“

„Hat er denn keine Angst?“, fragte Riley leise.

„Was? Vor uns? Jungchen, wer von uns ist denn wohl vertrauter mit dieser Umgebung? Und wer von uns kann mit einem kurzen Quieken Heerscharen von seinen Freunden herbeirufen?“

„Was machen wir denn dann? Sollen wir aufgeben?“

Malarkey schob Riley vor sich. „Nein, wir gehen langsam an ihm vorbei. Wenn wir ihm nicht in die trüben Gucker schauen, lässt Mister Ratte uns vielleicht unbehelligt vorbei. Außerdem gibt’s hier in den Stinkröhren weiß Gott Schlimmeres als die Ratten.“

Riley beschloss, alsbald auf den letzten Satz zurückzukommen, doch fürs Erste konzentrierte er sich darauf, auf dem glitschigen Boden keinen Hoxton Shuffle hinzulegen, so genannt nach den besonders fantasievollen Zuckungen eines Insassen der Irrenanstalt von Hoxton.

Bleib ruhig, sagte er sich. Du hast eine Mission zu erfüllen. Und du hast schon Schlimmeres gesehen als eine überdimensionale Ratte.

Das stimmte zwar, doch der Gedanke an diese schlimmeren Dinge weckte in Riley sofort die Furcht, sie könnten sich ebenfalls in den Schatten verbergen, um dem schwankenden Strahl der Laterne auszuweichen.

Malarkey und Riley gingen rechts und links an dem Rattenkönig vorbei und folgten dem Abwasserstrom, der sich an dessen Pfoten teilte. Nur die festen Bestandteile – die so genannten Knödel – blieben an ihm hängen und türmten sich auf geradezu unheimliche Weise wie eine Art Wächterhäuschen um ihn. Der Rattenkönig zuckte ein wenig mit der Nase, als sie ihn passieren, beachtete sie aber nicht weiter.

„Na also“, seufzte Malarkey erleichtert. „Seine Majestät, der Rattenkönig, scheint sich nicht bedroht zu fühlen.“

Der Tunnel beschrieb eine leichte Kurve, und in dem trüben Lichtschein wurden Risse und Löcher im Mauerwerk sichtbar. Teile der Decke waren eingestürzt, sodass die nackte Erde zum Vorschein kam, die von Wurzeln und Würmern durchzogen war. An einigen Stellen drang sogar ein wenig Licht von oben herein, und Riley genoss den Sonnenschein auf seinem Gesicht, obwohl es bedeutete, dass der Tunnel nicht solide war.

„Vorwärts, Junge!“, drängte Otto, als Riley seinen Schritt verlangsamte. „Jetzt ist keine Zeit für Sonnenbäder. Wir haben Chaos zu verbreiten.“

Vorhin, im Haus am Grosvenor Square, hatte es noch so vernünftig geklungen, einen Plan zu entwickeln, alle Schritte logisch aneinander zu reihen, damit am Ende ein vorhersehbares Ergebnis stand. Doch nun, da sie in diesem Tunnel des Grauens festsaßen, erschien es Riley vollkommen unmöglich, dass irgendein Plan diese Erbarmungslosigkeit nach ihren Wünschen beeinflussen konnte.

Malarkey richtete die Laterne auf Rileys Gesicht. „Na, hat dich der Trübsinn am Wickel? Hast du das Gefühl, dir fällt gleich die Decke auf den Kopf, und das alles ist völlig zwecklos?“

Riley nickte nur. Er wollte vor seinem König nicht als Heulsuse dastehen, deshalb hielt er lieber den Mund.

„Ja, das kommt mir bekannt vor“, sagte Otto. „Barnabus hat auch oft Trübsal geblasen, wenn wir hier unten waren. So ein Riesenkerl, aber hatte ’ne Mordsangst vor den Ratten. Er hat gesagt, es wär nicht die Dunkelheit, die ihn fertig macht, sondern dass hier kein Licht ist.“ Er zuckte mit den Achseln. „Ich hab nie verstanden, was er damit gemeint hat.“

Da fiel Riley etwas ein, das ihm dringend genug erschien, um doch den Mund aufzumachen. „Eure Hoheit, Sie haben vorhin gesagt, hier in den Stinkröhren gäb’s Schlimmeres als die Ratten. Was haben Sie damit gemeint?“

„Na, alles hier, Böckchen“, erwiderte der König vergnügt. „In so ’nem unnatürlichen Bau unter der Erde ist doch alles gefährlich für unsereinen. Im Schlamm unter deinen Füßen wimmelt’s von Cholera-Bakterien. Die Steine haben messerscharfe Kanten, die dich schneller aufschlitzen können als der gute alte Jack, und wenn du nicht verblutest, dann sorgt ein Krümel verseuchter Mörtel in deinen Adern dafür, dass du bis zum Ende des Tages grün anläufst. Und hier unten in den Tunneln gibt es auch unsichtbare Teufel. Zum Beispiel Gaswolken, die König und Untertan gemeinsam ins Jenseits schicken. Und dann gibt’s natürlich noch das Pumpenhaus.“

Riley war mittlerweile so übel vor Angst, dass es auf ein Grauen mehr oder weniger auch nicht mehr ankam. „Was ist mit dem Pumpenhaus?“

„Nun ja, was denkst du, was passiert, wenn die Ingenieure Ihrer Majestät beschließen, die Tunnel zu fluten, während wir sub terra sind? Niemand wird uns warnen, da niemand weiß, dass wir hier unten sind.“

„Aber ich dachte, das wäre geregelt, König Otto. Wir haben doch den Pumpenhauskerl geschmiert, damit er erst zum verabredeten Zeitpunkt flutet.“

„Wir haben einen von den Pumpenhauskerlen geschmiert“, erwiderte Malarkey. „Aber nach meiner Erfahrung gehen Pläne, bei dem öffentliche Bedienstete, exakte Zeitplanung und der Einsatz von Maschinen beteiligt sind, gerne mal spektakulär in die Hose.“

Riley kam zu dem Schluss, wenn ihn die Panik nicht ohnehin schon am Wickel gehabt hätte, wäre es spätestens jetzt so weit gewesen.

Schmatzend und gluckernd hallten ihre Schritte im Tunnel wider, als gingen Gespenster vor ihnen her. Der Boden wies über weite Strecken die gleiche Wölbung auf, nur an einigen Stellen machte er plötzlich einen Buckel wie eine riesige Schlange oder wurde von einem Erdhaufen oder Baumwurzeln unterbrochen. Im matten Schein der Laterne wirkten die Ziegelsteine gelb und ockerfarben, obwohl sie in Wirklichkeit sicher braunrot waren. Einige Abschnitte sahen ramponierter aus als andere, mit eingestürzten Wänden oder zerfressenen Steinen von den abendlichen „Rushhour-Spülungen“ oder einer gründlichen nachweihnachtlichen Flutung.

„Ach“, rief Malarkey gut gelaunt aus, „ich hab ganz vergessen, die Gruselkrabbler zu erwähnen, die in dieser stinkenden Unterwelt bestens zu gedeihen scheinen!“

Riley spürte, wie sein Trübsinn noch trüber wurde. „Bitte, Eure Majestät, ich hab schon genug zu verdauen!“

„Also, die Verdauung dürfte dein geringstes Problem sein, wenn dich diese Viecher attackieren.“

Riley fügte sich stumm in sein Schicksal, da er um eine eingehende Beschreibung dieser Wesen offensichtlich nicht herumkam.

„Natürlich gibt’s hier unten die ganz normalen Insekten, nur viel größer als sonst, da die Dungdiät ihnen prächtig zu bekommen scheint. Die ist für Kakerlaken und Käfer nämlich wie Kaviar und Champagner. Einmal hab ich gesehen, wie ein Käfer auf eine Ratte losgegangen ist, wobei die Ratte es größentechnisch locker mit einem Hund hätte aufnehmen könne.“

Das war so komisch, dass Riley sich ein wenig entspannte.

„Das ist ja schrecklich“, sagte er, doch offenbar zeigte er durch eine leichte Lockerung der Schultern, dass seine Angst ein wenig nachließ, denn Seine Majestät legte prompt noch einen drauf.

„Und es kann sein, dass du in einer dunklen Ecke manchmal etwas glühen siehst.“

„Bitte, König Otto, erzählen Sie es mir nicht!“

„Das sind Skorpione“, fuhr Malarkey genüsslich fort. „Phosphoreszierende Skorpione. In ihren Stacheln ist Säure, die einen Mann innerhalb von ein, zwei Minuten auflösen kann. Ich hab mal gesehen, wie eine Kuh von Tunnelskorpionen angegriffen wurde. Da blieben nur noch die Hörner und der Schwanz übrig.“

Riley schluckte. Das war bestimmt das Schlimmste. Noch schlimmer konnte es nicht werden.

„Aber das Allerschlimmste“, sagte Malarkey mit gedämpfter Stimme, „sind die Kreine.“

„Kreine!“, rief Riley aus, wofür er von seinem Herrscher eine Kopfnuss erntete.

„Psst! Kreine sind wie der Teufel. Du darfst ihren Namen nie laut aussprechen, sonst kommen sie dich holen.“

„Was sind denn das für Wesen?“, fragte Riley flüsternd.

Malarkey erklärte es ihm mit sichtlicher Freude. „Das sind gottlose Ungeheuer, halb Krabbe, halb Schwein.“

Über der Erde hätte Riley sich lachend auf die Schenkel geschlagen. Krabben-Schweine? Das ist doch völliger Unsinn.

Aber hier unten?

Im Tunnel?

Riley hatte in einem Tunnel schon äußerst seltsame Kreaturen gesehen, dagegen wirkten diese Kreine so alltäglich wie Karnickel.

Allerdings gab es da noch eine wichtige Frage zu klären. „Wie groß sind denn diese … Wesen? So groß wie Schweine oder wie Krabben?“

„So groß wie Ponys“, erwiderte Malarkey. „Mindestens.“