Fiona Lucas: Am Abgrund balanciert es sich am besten


2 Jahre, 9 Monate und 8 Tage ist es her, dass Spencer gestorben ist. Anna ist erst Anfang Dreißig und verwitwet. Der Schmerz will nicht nachlassen – bis ein Fremder in ihr Leben tritt, der vielleicht alles für immer verändern wird. 

Silvester ist besonders schlimm. Wie so oft ruft Anna verzweifelt das Handy ihres verstorbenen Mannes an, um noch einmal seine Stimme auf dem Anrufbeantworter zu hören und der Mailbox ihr Herz auszuschütten. Doch diesmal ist da jemand am anderen Ende der Leitung. Und dieser Mann ist sehr lebendig und er hört ihr zu. Zum ersten Mal glaubt Anna sich in ihrer Trauer verstanden zu fühlen. Denn auch Brody hat sich nach einem harten Schicksalsschlag aus dem Leben zurückgezogen.

Während Anna langsam versucht, zurück in ihren Londoner Alltag zu finden, denkt sie immer häufiger an Brody. Werden die zwei es wagen, die Geschichte ihres eigenen Glücks zu schreiben? 

Roman

Atlantik (2021)

Originaltitel: The Last Goodbye

ISBN 978-3-455-01051-0

EUR 18,00




Leseprobe

Anna lag im Bett und hatte die Decke über den Kopf gezogen. Das wäre an sich nicht weiter bemerkenswert, nur war es halb acht an einem Donnerstagabend, und sie war vollständig angezogen, abgesehen von den Schuhen. Irgendwo in der Ferne klingelte es an der Haustür. Sie versuchte es zu ignorieren.

Sie war vor einer halben Stunde ins Bett gekrochen und hatte nicht vor, an diesem Abend wieder hervorzukommen. Vielleicht auch nie. Es war schön in ihrem Kokon. Still und dunkel. Die Welt war heute zu hell gewesen, zu laut. Zu verdammt fröhlich. Aber das hier war eine wunderbare Lösung. Darauf hätte sie schon viel früher kommen sollen.

Der Briefschlitz klapperte. „Anna?“

Anna seufzte. Vielleicht sollte sie über eine Schallisolierung nachdenken?

Die Stimme meldete sich wieder, diesmal lauter. „Hey! Ich bin hier. Mach die Tür auf!“

Tief atmen ... Das sollte doch angeblich helfen, ruhig zu bleiben, oder? Anna beschloss, es zu versuchen; sie wollte so gerne in dieser weichen, dämmrigen Dumpfheit bleiben. Das Problem dabei war nur, dass Anna schon seit einer ganzen Weile nicht mehr tief atmen konnte. Zwei Jahre, neun Monate und acht Tage, um genau zu sein. 

War es wirklich schon so lange her? Es kam ihr immer noch so vor, als wäre es gestern gewesen.

Sie drehte sich auf die Seite, zog die Knie an die Brust und kniff die Augen zu.

Die Stimme kam erneut durch den Briefschlitz, aber diesmal klang sie genervt. Sogar ein bisschen verzweifelt. Anna atmete zitternd aus. Ihr Kokon der Ruhe war gefährdet. Er bekam Risse. Sie versuchte so zu tun, als gehörten diese Störgeräusche zu einer anderen Ebene, einer anderen Realität. Bis die Stimme weicher, flehender wurde.

„Anna? Minha querida? Alles in Ordnung?“

Anna vergrub das Gesicht in den Händen und seufzte. Dann kroch sie aus ihrem kuscheligen Nest, richtete sich widerstrebend auf und ging die Treppe hinunter in den Flur.

„Dem Himmel sei Dank!“, sagte ihre beste Freundin, als Anna die Tür öffnete. „Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, dass du die Treppe runtergefallen oder in der Badewanne ausgerutscht bist!“ Gabrielas Stimme klang munter, als sie in den Flur trat, aber ihr Lachen hatte etwas Angespanntes, und ihre Augen waren voller Fragen. Anna wusste, dass Gabi sie nicht stellen würde, aber sie hörte sie trotzdem. Dir geht’s doch gut? Oder muss ich mir ernsthaft Sorgen machen?

In letzter Zeit hatten alle, die Anna kannte, Fragen in den Augen, wenn sie mit ihr sprachen. Meist waren es dieselben Fragen. Aber sie hatten Angst, das Falsche zu sagen. Oder nicht das Richtige. Anna lebte auf einem Minenfeld aus rohen Eiern.

Gabi drückte Anna eine Blechdose in die Hand. „Ich hatte Sehnsucht nach dem Möhrenkuchen meiner Mutter, aber ich habe viel zu viel davon gebacken.“

„Danke“, sagte Anna und drückte die Dose an sich. „Darauf freue ich mich schon.“ Die knallorangene Version ihrer brasilianischen Freundin mit dickem Schokoladenüberzug war unglaublich lecker.

Gabi sah sie mit einer Mischung aus Besorgnis und Hoffnung an. „Wirklich?“

Hier ging es nicht nur um Kuchen. Gabi stöhnte immer, ihre üppigen Rundungen kämen daher, dass ihre Mutter Liebe stets durch Leckereien zeigte, aber anscheinend war sie da gar nicht so viel anders.

Anna nickte befangen. „Natürlich.“ Und dann brachte sie die Dose in die Küche, in der Hoffnung, dass das Thema damit beendet war.

Sie verstand, dass ihre Familie und ihre Freunde sich um sie sorgten, aber sie hatte es satt, ständig unter Beobachtung zu stehen. Jedes Wort, das sie von sich gab, und jede Geste wurden begutachtet und bewertet, damit sie ihre Notizen vergleichen und sich gegenseitig anhand ihrer gesammelten Beweise davon überzeugen konnten, dass sie endlich „darüber hinwegkam“. 

Als Anna in den Flur zurückkehrte, musterte Gabi sie mit gerunzelter Stirn. „Was hast du mit deinen Haaren gemacht?“

Anna hob tastend die Hände und stellte fest, dass ihr schulterlanges braunes Haar am Hinterkopf ganz zerzaust war. Sie versuchte es unauffällig glattzustreichen, traute sich aber nicht, in den Spiegel neben der Haustür zu sehen. Sie hatte seit Heiligabend das Haus nicht mehr verlassen, und sie fürchtete, ein blasses und ungepflegtes Gegenüber zu erblicken. Gabi hingegen sah makellos aus. Ihr dunkles Haar ringelte sich in seidigen Locken um ihre Schultern, und das kobaltblaue Kleid, das sie trug, passte perfekt zu ihrem warmen Hautton.

„Du bist doch bereit für die Party, oder?“ Gabis Blick wanderte hinunter zu dem zerknitterten kleinen Schwarzen, das Anna trug, und ihren unbeschuhten Füßen. „Es sind nur noch ein paar Stunden, bis wir alle ‘Frohes neues Jahr’ rufen, und ich will nicht zu spät kommen!“

Frohes neues Jahr ...

Wie gerne würde Anna sich diesen Ausdruck vorknöpfen! Vor allem müsste das erste Wort abgeschnitten und weggeworfen werden. Das „neue Jahr“ allerdings war eine Tatsache. Daran konnte sie nichts ändern. Die Zeit würde weiterlaufen, ob sie es wollte oder nicht, aber das mit dem „froh“ war einfach lächerlich, sogar fast beleidigend.

Eine Flut von Gefühlen wogte in ihr auf, so mächtig, dass sie am liebsten sofort wieder nach oben gerannt und unter die Decke gekrochen wäre. Sie holte Luft, um Gabi abzusagen, doch der Ausdruck auf dem Gesicht ihrer Freundin ließ sie innehalten. Da waren Verwirrung über Annas zerknautschtes Aussehen und eine gewisse Besorgnis, aber auch noch etwas anderes, das Anna wiedererkannte.

„Auf der Party ist jemand, der dir gefällt, stimmt’s?“, fragte sie, denn dieses Funkeln in Gabis Augen tauchte nur auf, wenn sie verliebt war.

Gabi setzte ihre Unschuldsmiene auf. „Nein.“

Hmm. Anna war sich nicht sicher, ob sie ihr das glauben sollte.

„Sieh mich nicht so an“, wehrte Gabi ab. „Du weißt doch, seit Joel bin ich mit den Männern durch.“

Anna nickte leicht. „Ja, das hast du gesagt.“ Ob es allerdings dabei blieb, musste sich erst noch zeigen. In diesem Moment hätte Anna zwanzig Pfund darauf gewettet, dass ihre Freundin spätestens um Mitternacht in einem leidenschaftlichen Kuss versinken würde.

Aber Anna gönnte es ihr. Die Trennung von Joel lag mittlerweile fünf Jahre zurück. Um ehrlich zu sein, war Anna nicht traurig darüber gewesen – er hatte Gabi überhaupt nicht zu schätzen gewusst –, aber Gabi hatte es nicht so gesehen und war vollkommen am Boden zerstört gewesen. Seitdem hatte es nur ein paar kurze Beziehungen gegeben. Gabi mochte selbstbewusste Männer, aber meistens stellte sich heraus, dass sie nicht selbstbewusst, sondern großspurig und egozentrisch waren – nicht unbedingt das Richtige für eine reife, dauerhafte Beziehung.

„Und es stimmt auch“, sagte Gabi im Brustton der Überzeugung, sodass Anna ihr beinahe glaubte. „Bist du startklar?“

Anna blickte zur Treppe, an deren Ende ihr kuscheliger Kokon wartete, und seufzte. Wenigstens eine von ihnen sollte an diesem Abend etwas zu hoffen haben, wenn sie dieses alte, erschöpfte Jahr hinter sich zurückließen und über die Schwelle in ein frisches, unbeschriebenes traten.

Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Na klar. Gib mir zwei Sekunden. Ich schnappe mir nur schnell meinen Mantel und ziehe mir Schuhe an.“

 

(...)

 

Anna schaltete gar nicht erst das Licht ein, als sie nach Hause kam, sondern lief direkt die Treppe hoch und ins Schlafzimmer. Der Digitalwecker auf dem Nachttisch zeigte 23:36 an. Sie wandte den Blick ab.

Wenn sie nicht daraufschaute, konnte sie nicht sehen, wie die Zahlen immer höher wurden, bis schließlich die gefürchtete Reihe von Nullen da stand. Und wenn sie sie nicht sehen konnte, dann existierte sie auch nicht. Mitternacht war eine Schwelle, die sie nicht überschreiten wollte. Nicht nur an diesem besonderen Tag, sondern immer. Jeder Tag ohne ihn war einer zu viel.

Anna hatte einige kleine Rituale, die ihr helfen sollten, durch die Tage und Nächte zu kommen, und davon brauchte sie jetzt eins. Sie ließ ihre Handtasche auf den Boden fallen, ging zu Spencers eingebautem Kleiderschrank, legte die Hände um die Griffe und öffnete die Türen. Alle seine Anzüge und Hemden hingen dort, genau so, wie er sie zurückgelassen hatte. Sie wusste, es war ein fürchterliches Klischee, aber sie brachte es einfach nicht über sich, sie in einen Müllbeutel zu stopfen oder ins Sozialkaufhaus zu bringen.

Seufzend zog sie den Ärmel eines Hemdes zu sich und schnupperte daran. Sein Duft hing nicht mehr darin, obwohl sie nichts von seinen Sachen gewaschen hatte, aber sie tat so, als ob. Dabei versuchte sie jedes Mal, sich daran zu erinnern, wie er gerochen hatte, aber es fiel ihr immer schwerer.

Spencer hätte über sie gelacht, weil sie so sentimental war, aber schließlich hatte er über alles gelacht, über alles gefrotzelt – was sie bezaubert, aber oft genug auch auf die Palme gebracht hatte. Er hatte es sogar getan, als sie ihm zum ersten Mal gesagt hatte, dass sie ihn liebte.

Jener frostige Novemberabend vor neun Jahren war magisch gewesen. Sie waren in der Londoner City essen gewesen, um ihre zwei Monate als Paar zu feiern, doch anstatt mit der U-Bahn zum Bahnhof Charing Cross zurückzufahren, waren sie zur Themse hinuntergegangen und das Victoria Embankment entlangspaziert, mit seinen wuchtigen Steinmauern, den kugelförmigen Straßenlaternen, und den hölzernen Sitzbänken, deren gusseiserne Stützen mit seltsamen mythologischen Wesen verziert waren. Die Lichter der Festival Hall und des South Bank Centre funkelten über das Wasser hinweg, und das blau-weiß leuchtende London Eye wachte über sie.

Spencer zog sie an sich und küsste sie, dann legte er die Hände um ihr Gesicht, sah ihr tief in die Augen und sagte ganz schlicht und ernst: „Ich liebe dich.“ Und dann fing er plötzlich an zu lachen. „Tut mir leid – ich konnte mich einfach nicht länger zusammenreißen.“

Sie war atemlos, und alles um sie herum schien sich zu drehen. Das passierte ihr bei Spencer oft, dass sie sich fragte, wo oben und wo unten war; er war der Magnet und sie die Kompassnadel.

„Ich liebe dich auch“, flüsterte sie, und sein Lächeln wurde noch breiter, doch dann schaute er mit einem Mal ganz ernst.

„Wie bitte?“, fragte er mit schelmischem Funkeln in den Augen. „Ich glaube, das habe ich nicht richtig verstanden.“

Sie musste lachen, dann räusperte sie sich und versuchte es noch einmal lauter. „Ich liebe dich auch.“

Spencer legte die Hand an sein Ohr. „Nein. Habe ich immer noch nicht verstanden.“ Sie knuffte ihn in den Arm. Er kam immer näher, bis ihre Lippen sich fast berührten, dann ließ er sie plötzlich los, sprang auf eine der Bänke am Ufer und breitete die Arme aus. „Wenn man jemanden liebt“, brüllte er, „sagt man das nicht leise, sondern man ruft es von den Dächern! Und zwar so ...“ Er drehte sich zu den Möwen, die auf der Lichterkette zwischen den Straßenlaternen saßen. „Ich liebe dich, Anna Mason! Ich habe dich seit dem Tag geliebt, als wir uns das erste Mal begegnet sind, und ich werde dich immer lieben!“

Er streckte seine Hand aus, und sie nahm sie und ließ sich von ihm auf die Bank ziehen, sodass sie neben ihm stand, wobei sie aufpassen musste, dass ihre Stiefelabsätze nicht in den Ritzen hängen blieben. Er hatte sie angegrinst und darauf gewartet, dass sie es ihm gleichtat, und beinahe hätte sie ebenfalls ihre Liebeserklärung in die Nacht hinausgerufen, doch etwas bremste sie, und sie drehte sich zu ihm. Manchmal musste sie Spencer daran erinnern, dass sein Weg nicht der einzige war.

„Du hast es sehr wohl verstanden, du Idiot“, murmelte sie ihm ins Ohr, und dann küsste sie ihn genauso sanft und zärtlich, wie er sie geküsst hatte.

Von da an war es ihr „Ding“ gewesen – wenn sie „Ich liebe dich“ sagte, fragte er jedes Mal: „Wie bitte?“, und dann flüsterte sie: „Du hast es sehr wohl verstanden, du Idiot.“ Sie hatte gedacht, dass sie das noch mit achtzig machen würden ...

Mit einem Schluchzen sank sie auf den Schrankboden, wobei sie das Hemd samt Bügel mitriss, und dann vergrub sie das Gesicht in dem blau-weiß gestreiften Stoff und weinte, bis keine Tränen mehr kamen.

Wie konnte Sehnsucht nur so wehtun? Jetzt verstand sie, warum die Leute von einem gebrochenen Herzen sprachen, denn sie spürte den Schmerz mit jedem einzelnen Schlag.

Sie verlor jegliches Zeitgefühl, während sie zusammengekrümmt dort im Schrank lag, Spencers Hemd an die Brust gedrückt. Schließlich jedoch kam sie wieder im Hier und Jetzt an. Aber der Schmerz hörte nicht auf. Er hörte nie auf.

Sie beugte sich vor und griff nach ihrer Handtasche, dann setzte sie sich wieder in den Schrank, den Rücken an die Wand gelehnt, holte ihr Handy heraus und schaltete es ein.

23:56. Es war fast Mitternacht.

Anna schloss die Augen und versuchte, mit reiner Willenskraft die Zeit anzuhalten. Noch vier Minuten. Oder vermutlich eher weniger – drei und ein paar Sekunden – war alles, was ihr von diesem Jahr noch blieb, bevor es ihr entglitt und ein weiteres Stück von Spencer mitnahm.

Es funktionierte nicht. Als sie die Augen wieder öffnete, war eine weitere Minute vergangen. Sie starrte auf das Handy, während in ihrem Innern ein Kampf entbrannte. Es gab nämlich noch ein Ritual. Eines, das noch ungesünder war. In dem vernünftigen Teil ihres Kopfes wusste sie das auch. Deshalb hatte sie es sich ja verboten. Sie versuchte es wirklich, auch wenn Gabi ihr das nicht glaubte.

Leg das Handy weg, ermahnte sie sich. Du hast dir doch vorgenommen, es nicht mehr zu tun. Seit Monaten war sie nicht mehr so schwach gewesen.

Aber sie legte das Handy nicht weg. Langsam und gezielt öffnete sie ihre Kontakte, scrollte zu Spencers Namen und tippte auf „Wählen“.

Noch bevor die Verbindung stand, hörte sie die Nachricht – seine Stimme – in ihrem Kopf: Hi! Hier ist Spencer. Ich bin unterwegs und amüsiere mich, aber wenn ihr unbedingt eine öde, langweilige Nachricht hinterlassen wollt, wisst ihr ja, wie’s geht ...

Sie sehnte sich so sehr danach, genau das zu tun, ihm ihr Herz auszuschütten, aber sie tat es nicht. Das war nicht genug. Ja, sie wollte mit ihm reden, aber sie wollte kein leeres, einseitiges Gespräch. Sie wollte seine Stimme hören, seine richtige Stimme, nicht eine alte, abgenudelte Aufnahme. Sie wollte, dass er ihr antwortete. Und dann könnte sie ihm endlich sagen, was sie damals an jenem letzten Abend hätte sagen sollen, bevor er zur Tür hinausgegangen war, etwas Bedeutsameres als: „Kannst du noch Milch mitbringen?“

Ihr Daumen schwebte über dem „Anruf beenden“-Button. So oft sie seine Nummer auch gewählt hatte, um seine Bandansage zu hören, sie hatte nie eine Nachricht hinterlassen, denn auch wenn Gabi ihr vorwarf, dass sie sich in der Vergangenheit vergrub, stimmte das nicht. Sie machte sich nichts vor. Das hier war nur ein Echo von ihm, mehr nicht. Sie wusste, dass sie ihn nicht zurückholen konnte.

Doch wenn sie an diesem Abend schon abstürzte, dann wenigstens richtig. Vielleicht lag es daran, dass in diesem Moment die Zeitanzeige oben auf dem Handy auf die Reihe aus Nullen wechselte. Oder vielleicht waren es auch die ganzen Gefühle, die sich an diesem Abend angestaut hatten und hinauswollten. Wie auch immer – Anna spürte, wie all die Worte, von denen sie geglaubt hatte, dass sie ein Leben lang Zeit haben würde, sie auszusprechen, sich in ihrer Kehle stauten, und dann sprangen plötzlich drei davon heraus. Das würde reichen müssen.

„Ich liebe dich ...“, flüsterte sie mit tränenrauer Stimme.

Einen Moment lang herrschte Stille.

Und dann kam die Antwort.

„Wie bitte?“